Vor Beginn der Bauarbeiten zum Archiv der Zukunft Lichtenfels rückten Archäologen an, um den Grund auf historische Überreste zu untersuchen. Was sie bei ihren Ausgrabungen fanden, war außergewöhnlich und beweist, dass Lichtenfels älter ist, als bisher angenommen. Ein großer Teil der Funde wurde gescannt, 3D gedruckt und ist im Archiv der Zukunft zu sehen.

Das Kellergewölbe
Der Keller, auf dem das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert stand, das für das Archiv der Zukunft abgetragen wurde, ist älter als bisher bekannt. Er ist hervorragend gearbeitet, zum Teil liegen die Steine auf Stoß. Das Gewölbe stammt aus dem Spätmittelalter, die Bauweise des eigentlichen Kellers deutet auf die Entstehung in der ausgehenden Romanik, um 1200, hin. Der annähernd quadratische Grundriss wiederum lässt vermuten, dass hier ein sogenannter Wohnturm mit bestem Blick auf den Marktplatz stand.
Der Keller wurde im Rahmen der Grabungen in chirurgischer Präzision freigelegt, das Gewölbe ausgebaut, dafür Stein für Stein durchnummeriert, dokumentiert und vor Beginn der Bauarbeiten wieder an der richtige Stelle eingesetzt. Zusammengenommen mit den anderen Funden verändert er die Geschichte von Lichtenfels, lässt sie mindestens 300 bis 400 Jahre weiter in die Vergangenheit verfolgen. Der Keller samt wohl darüber aufragendem Wohnturm stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als die Andechs-Meranier Lichtenfels zur Stadt ausbauten.
Von links nach rechts: Bronze-Nagel - Teil einer Klappwaage - Schlüssel nach der Restaurierung - Bronze Glöckchen

Gemeinsam mit seiner Kollegin Maria Messingschlager zeichnete Michael Jandejsek für die Grabungen auf der Baustelle verantwortlich.
Drei Fragen an den Archäologen.
Aus welcher Zeit stammen die Fundstücke, die bei der Grabung unter dem Archiv der Zukunft zutage treten?
MJ: Einige Scherben geben bereits Hinweise auf eine Ansiedlung an diesem Ort in der ausgehenden Kaiserzeit, also im 4. oder 5. Jahrhundert nach Christus. Belegbare kontinuierliche Siedlungstätigkeiten lassen sich ab dem 8. oder 9. Jahrhundert nachweisen. Die Fundstücke reichen von dieser Zeit über das Mittelalter weiter bis hin zum Bau des Vorgängergebäudes im 18. Jahrhundert.
Was bedeuten diese Funde für die Geschichte von Lichtenfels?
MJ: Die Ersterwähnung des Ortes ist auf das Jahr 1142 datiert und nimmt Bezug auf eine Burg Litenuels auf der Anhöhe des heutigen Stadtschlosses, dem sogenannten Kastenboden. Das ist der früheste Beleg aus historischer Sicht. Es ist aber oft so, dass es über die Entstehung eines Ortes keine Schriftquellen gibt und die Archäologie Auskunft geben kann. Wir können jetzt nachvollziehen, wie aneiner Kreuzung zweier Fernhandelswege - der eine führte von Bamberg nach Leipzig, der andere zweigte nach Coburg ab - ab dem 8./9. Jahrhundert ein Siedlungsplatz entstanden ist, der sich zum Marktort entwickelt hat und in der ersten Hälfte des 13. Jahhunderts unter den Andechs-Meraniern zur Stadt ausgebaut wurde.
Welches der Fundstücke hat Sie am meisten beeindruckt?
MJ: Als Archäologe hat man meistens nur mit Scherben oder Bruchstücken zu tun. Wir stießen aber auf eine Gefäßdeponierung aus der Zeit um 1000. Ein komplett erhaltenes Gefäßensemble im Boden, also ein Gefäß mit Abdeckgefäß, bewusst abgestellt, das ist etwas eher Seltenens. Es handelt sich wohl um eine Art Bauopfer für ein Gebäude in Holzbauweise. Darauf deuten teils massive Pfostengruben hin, die bei den Grabungen dokumentiert werden konnten. Sie gehören zu einer Ansiedlung, die im Zusammenhang mit der in der historischen Forschung angenommenen Errichtung einer Burganlage auf der Anhöhe des Kastenbodens durch die Marktgrafen von Schweinfurt im frühen 11. Jahrhundert steht.
1. Bei diesem Gefäßensemble aus der Zeit um 1000 n. Chr. handelt es sich vermutlich um ein Bauopfer. Der Inhalt hat die Zeit nicht überdauert und lässt uns über den tatsächlichen Zweck nur spekulieren.
2. Die kleine Spielfigur in Form eines doppelköpfigen Pferdes war möglicherweise Teil eines Schachspiels und stammt aus dem 13. Jahrhundert.
3. Der Schlüsseln, hier noch im originalen Fundzustand und vor der Restaurierung, wird auf das 12. oder 13. Jahrhundert datiert.
4. Ein Miniaturgefäß aus dem 13. Jahrhundert. Es wurde möglicherweise Duftöl darin aufbewahrt. In seinem Inneren befindet sich eine Kugel, mit der die Flüssigkeit aufgeschüttelt worden sein könnte.
Kupfer- und Silbermünz-Funde aus verschiedenen Jahrhunderten.