Susi Gelb Foundations are never mute
Susi Gelbs Ökosysteme schlagen eine andere Art von Zeit vor: kollaborativ in ihrer Verflechtung, produktiv in ihrer Instabilität. Im Archiv der Zukunft lässt sie uns in vielschichtige Zeitlichkeiten eintauchen: sich überschneidende Intervalle, in denen geologische Deep Time und digitale Umwälzungen gleichzeitig stattfinden. Hier ist Materie niemals stumm, niemals träge. Pigmente verflechten sich mit Daten, Bilder sickern in Körper und Architekturen hallen wider. Der Boden selbst ist in ständiger Transformation – alchemistisch, generativ – und trägt Künftiges in sich, das unter unseren Füßen reift.

Architektonische Fundamente sind niemals stumm. Sie verdichten, durchschneiden und atmen. Feuchtigkeit sickert durch Fugen, Rückstände haften an, Frequenzen zirkulieren durch Stahl und Stein. Ein Keller stützt nicht einfach nur ein Gebäude, er metabolisiert Raum. Die gebaute Struktur probt Verfall und Erneuerung: Jede Wand ist ein Diagramm der Zeit, jede Leerstelle ein Register unsichtbarer Prozesse.
Susi Gelbs Praxis entsteht in diesen Turbulenzen. Sie komponiert sorgfältig, lässt aber auch Zufälle zu. Sie arbeitet dabei mit Menschen, Tieren, Materialien und Algorithmen zusammen. Der „Archival Core“ für das Archiv der Zukunft entstand auf Einladung des Architekten Peter Haimerl. Nun ragt im Erdgeschoss des Glasbaus ein skulpturaler Bohrkern vertikal aus dem Untergrund empor. Er ist keine Erdprobe, sondern ein vertikaler Organismus aus hybrider Materie. Der Bohrkern wirkt wie Schichten im Schwebezustand, ein lebendiges Archiv, wo sich jeder Teil wie ein Palimpsest zusammensetzt. Die Skulptur verwandelt das Haus in eine Choreografie aus Materialität und Architektur. Die von Gelb gewählten Materialien – Stein, Harz, Pigmente, Beton, synthetische Partikel, Mineralstaub – speichern Zeit. Nebenprodukte und Bruchstücke werden hier zu aktiven Kräften. Und Fundamente pulsieren.

In Fortsetzung ihres bisherigen Schaffens erweitert Gelb die These, dass Material ihr Mitspieler ist und Skulpturen in gewisser Weise lebendig sind; Der „Archival Core“ ist eine Synthese, die sich dem Status einer Materialprobe verweigert. Das Werk schlägt eine Geologie der Kontamination und Umwandlung vor, wo sich die Zeit faltet und Kategorien verschwimmen. Schlamm, eine rohe Mischung aus organischer Substanz und algorithmischem Bildmaterial, sickert in das Werk ein; Susi Gelb hält das Material in einer Schwebe zwischen Geröll und Artefakt, niemals festgelegt, immer in Bewegung. Boden und Schlamm befinden sich in einem Prozess, der zwischen Festkörper und Auflösung, skulpturaler Präsenz und bewegtem Bild oszilliert. Indem sie die Form in der Schwebe hält, macht Gelb Veränderung durch Verfall, Neukombination und Neubewertung wahrnehmbar.
Ihre Videoarbeiten teilen diese Eigenschaft. Sie sind keine in sich geschlossenen Darstellungen, sondern reichhaltige Bildschichtungen. Jede Projektion trägt Spuren früherer Zirkulation, Fragmente von digitalen Archiven, die recycelt und rückgeführt wurden. Die leuchtenden Wolkenformationen von „Weather Lane“ – projiziert auf die Glasfassaden sind kompostartig entstanden, aus einem Überfluss von Bildern, bedeutungsgeladen. Wegwerfen und Nutzen existieren als reversible Zustände. Gelb produziert aus diesem digitalen Überfluss Hybride, in denen archaische Substanzen mit algorithmischem Glanz verschmelzen und natürliche Materie sich mit synthetischen Pixeln verbindet. Fragil und doch widerstandsfähig erinnern uns diese Filmarbeiten daran, dass Welten schon immer aufeinanderprallten und weiterhin aufeinanderprallen.

Zeit durchzieht das Werk in sich überlagernden Registern. Outputs werden wieder zu Inputs, Echos finden zu ihrem Ursprung zurück und die Rückkopplung überholt die eigentliche Bildfolge. Lebendigkeit hängt nicht von einem aktivierenden Moment ab; hier bezeichnet „lebendig” ein bebendes Feld. Geologische Geduld komprimiert Jahrtausende zu Sediment und Stein, während digitale Systeme ohne Pause beschleunigen und eine Zeitlichkeit erzeugen, die eher dicht als chronologisch ist. Gelb bringt diese Maßstäbe miteinander in Kontakt: Tiefe Zeit mit Datenstrudel, Entropie mit Geschwindigkeit. Das Ergebnis überschreitet lineare Zeitschreibung und wirft eine Falte auf, in der Ruinen und Ressourcen verschmelzen, in der Rückstände als Kräfte fortbestehen, die das Kommende prägen.
Das Archiv der Zukunft wird zu einem weiteren lebendigen Gefäß in Gelbs Ökosystem. Sein Glas und Stahl verhalten sich wie Membranen, die filtern und übertragen, ohne zu begrenzen. Reflexionen dringen nach außen, Bilder sickern nach innen und Geräusche zirkulieren gleichermaßen durch Luft und Struktur. Die Architektur wird Teil des Metabolismus des Werks und verstärkt das, was sich entfaltet: eine Umgebung im Entstehen. Skulptur bricht sich in Projektion, Video verdichtet sich zur Oberfläche, Architektur wird zur Hülle und geht in Resonanz mit der Performance von Edith Buttingsrud Pedersen und Susi Gelb, mit Musik von Enyang Ha.
Text: Lydia Antoniou